Arbeitsgruppe Dekolonisierung und Diversität

Die AG Dekolonisierung hat sich 2022 gegründet und ist aktuell v. a. ein Austauschraum zu Auswirkungen struktureller Machtverhältnisse und Unterdrückungsmechanismen auf den therapeutischen Raum. Durch die Auseinandersetzung mit Gesellschaftsstrukturen und den darin unterschiedlich gestellten Gruppen, im besonderen marginalisierter und diskriminierter Gruppen, möchten wir mehr Bewusstheit für die damit zusammenhängende Diversität einzelner Erfahrungen schaffen.

Sehr gern kann sich jede interessierte Person auf unsere Mailingliste eintragen lassen und die Einladungen zu unseren Onlinetreffen (etwa alle 6 – 8 Wochen) erhalten: dekolonisierung@dgft.de

Unser Anspruch

Der therapeutische Raum existiert nicht isoliert von der Gesellschaft, aus der heraus er entsteht, sondern ist ein Spiegel dieser, da alle Teilnehmenden neben ihren Biografien und Persönlichkeiten auch ihre Sozialisation und gesellschaftliche Stellung mitbringen. In dieser Annahme wird im therapeutischen Raum auch die Gesellschaft reproduziert. Ob dies bemerkt wird oder nicht, hängt von Bewusstsein, Wissen und Erfahrung der Anleitenden und Teilnehmenden ab.

Unser Anspruch ist nicht, einen diskriminierungsfreien Raum zu schaffen oder einen Raum, in dem alle gleich sind, sondern einen bewussteren Umgang mit unterschiedlichen Privilegien, Diskrimierungserfahrungen und Lebensrealitäten zu entwickeln.

Wir lesen Texte, z. B. aus anderen globalen Kontexten, in denen diese und verwandte Themen bereits seit einigen Jahrzehnten behandelt werden und die Ansätze vorschlagen, in denen ein feministisch-intersektionales, politisches und gesellschaftskritisches Bewusstsein in keinem Widerspruch oder Widerstreit zu psychotherapeutischen Ansätzen oder Theatertherapie steht, sondern im Gegenteil helfen oder gar unabdingbar sein kann, um Klient*innen und Patient*innen besser zu unterstützen:

„healing [is] not limited to emotional expression, self-affirmation, and catharsis but could also include the ability to see one’s individual challenges as a reflection of socially-constructed and politically-reinforced norms“ (Sajnani 2013)

„a critical race feminist paradigm, and specifically ideas about intersectionality, contribute to an understanding of health as involving an awareness of how the body is a site of political struggle expressed (and too often treated) as individual pathology“ (Sajnani 2013)

Eine (wohl nur teilweise mögliche) Dekolonisierung bedeutet für uns beispielsweise, unter Psychotherapie nicht die, sondern einePsychotherapie zu verstehen – eine vorwiegend weiß, männlich, westeuropäisch, heteronormativ usw. geprägte Lehre, auf deren Errungenschaften wir aufbauen können und die uns hier und heute viele wichtige Impulse bieten kann, die aber keine allgemeine Gültigkeit behaupten kann oder eine universelle Wahrheit darstellt.

Eine Dekolonisierung bedeutet für uns damit nicht die Ablehnung und Abwertung von Standardwerken und zentralen Haltungen und Annahmen in der psychotherapeutischen Landschaft, sondern ihre Kontextualisierung und Relativierung  sowie eine Erweiterung des Blicks auf weitere, lange nicht beachtete Perspektiven.

Selbstverständlich gehen wir davon aus, dass kein*e Theatertherapeut*in bewusst und willentlich eine Diskriminierung aufgrund von Alter, Geschlecht, Identität, ethnischer Zugehörigkeit, Kultur, nationaler Herkunft, Religion, sexueller Orientierung, Behinderung, sozioökonomischem Status, körperlicher Erscheinung oder Eigenschaften oder anderen Grundlagen ausübt – eine solche würde sowohl den Ethikrichtlinien der DGfT als auch den Gesetzen der Bundesrepublik Deutschland widersprechen.

Aber wir erkennen an, dass tiefgreifende und nur teilweise bewusste kulturelle, politische, gesellschaftliche Prägungen unsere Wahrnehmung, unser Denken und unser Handeln beeinflussen und uns, bei allem ‚gutem Willen’, zu diskriminierendem und verletzendem Verhalten und der Aufrechterhaltung unterdrückender Dynamiken führen können – von denen wir teilweise gar direkt oder indirekt profitieren. Deshalb versuchen wir selbst und möchten andere ermutigen, in einem aktiven Prozess unserer Prägungen und Privilegien bewusster zu werden und sie infrage zu stellen.

„Adopting an intersectional framework in drama therapy expands our understanding of suffering and health in ways that can allow us to be more effective in our efforts to facilitate individual healing and social action. In particular, an intersectional framework provides a language with which we can better highlight complexity when researching and representing lived experience.“ (Sajnani 2013)

Sehr gern kann sich jede interessierte Person auf unsere Mailingliste eintragen lassen und die Einladungen zu unseren Onlinetreffen (etwa alle 6 – 8 Wochen) erhalten: decolonize@dgft.de

Weiterführende Links:

https://www.nadta.org/cultural-humility-equity-diversity

https://www.nadta.org/Cultural_Responsibility_Guidelines

https://www.routledge.com/Intercultural-Dramatherapy-Imagination-and-Action-at-the-Intersections/Dokter-Sajnani/p/book/9781138363489

Klärungen einiger Begriffe z. B. unter:

https://genderplanet.univie.ac.at/begriffsuniversum/intersektionalitaet.html